Eine Frage die mich in meiner ersten Phase als junge Mutter nicht eine Gedanken gekostet hat und mir heute bei so vielen in meiner Beziehungsarbeit mit meinen Kindern begegnet...
Nach der Geburt unserer ersten Tochter merkte ich immer mehr, dass ich es anders machen möchte, als meine Eltern einst mit mir. Liebevoll und einfühlsam sollte die Beziehung zu meinen Kindern sein.
Mein Schreibaby gab mir die optimale Gelegenheit, einfühlsam und umsorgend zu sein, fast 24 Stunden am Stück. Ich stillte praktisch pausenlos und trug meine Erstgeborene fast ununterbrochen auf dem Arm herum. Ich suchte alle möglichen Ärzte und komplementären Therapien auf, die es gab, denn ich wollte mein Kind vor seinem Schreien bewahren. Bald war das Familienbett bei Hubers geboren und von Abstillen war sehr lange keine Rede – wunde Brustwarzen inklusive und hie und da ein Milchstau wurden nicht hinterfragt.
Im Kleinkindalter konnte ich den Kulleraugen nicht widerstehen. So erfüllte ich meiner Tochter die meisten Wünsche. Sie sollte es ja schließlich besser haben als einst ich. Ja und dann war da ja noch das mit den Gefühlen. Auch Weinen sollte meine Tochter möglichst nicht müssen – glücklich sollte sie sein! Ich fühlte mich immer verantwortlich bei jeder Träne und setzte meine Energie dafür ein, mein Kind davor zu behüten.
An meinem Anspruch, eine liebevolle Mutter zu sein, die ihr Kind nie im Stich lässt und alles gibt, was sie zu geben hat, lies ich keine Sekunde los. Schließlich wollte ich es ja besser machen – eben eine „gute Mutter“ sein!
Im Jahr 2005 besuchte ich das Gordon-Training bei Susanna und mein Blickwinkel veränderte sich. Als ich im Kurs das erste Mal hörte „ich bin wichtig“, schluckte ich schwer. Mich gab es ja auch noch! Nicht das ich mich gänzlich vergessen hätte… Nein, nein! Mein Mann bekam schon zu hören, was ER für mich alles nicht tat…aber das ICH SELBST die Verantwortung für mich abgegeben hatte, war mir bis dahin noch nicht bewusst. Ich war nicht echt. Nicht authentisch. Ich sagte JA und dachte NEIN. Ich fühlte NEIN und sagte JA. Ja Himmel – was fühle ich überhaupt? Eigentlich war es gut gemeint. Eine „gute Mutter“ wollte ich sein. Keine „Nein-sage-Mutter“.
Dass ein ehrliches Nein aus Liebe für mich und mein Kind wertvoller ist als ein nicht authentisches Ja, musste ich erst verdauen. Nicht dass ich es nicht auch schon gehört oder gelesen hätte…. Aber mit der Kommunikation bekam das Ganze irgendwie eine mögliche Sprache und das konnte ich nicht mehr ausblenden. Es dauerte aber eine ganze Weile, bis ich es mir eingestehen konnte… Schließlich war ich ja einst „überzeugt“ davon, dass Aufopferung und Geben-ohne-Ende richtig wären.
Inzwischen habe ich gelernt, dass mein Nein sogar ein Geschenk an mein Gegenüber ist. Ich erkenne meine Grenzen meist und weiss, dass sie wichtig sind für meine Beziehungen. Ich habe dazugelernt und würde wohl inzwischen mit einigem Vergangenem anders umgehen. Das Familienbett hätte es bestimmt doch gegeben…, aber es wäre wohl etwas eher zum Familienzimmer geworden. Ich hätte meinem Baby wohl selbst mehr zugetraut, um ein paar Minuten für mich zu beanspruchen. Tränen hätten unbedingt auch mal sein dürfen. Heute weiss ich, dass sie auch heilend sind und helfen, Eindrücke zu verarbeiten und um Verlust und Verzicht zu verdauen. Alles wichtige Erfahrungen, die helfen, mit kleineren und grösseren Lebenshürden umzugehen.
Heute lebe ich vor, dass ich mich selbst ernst nehme und gebe so meinen Kindern die Chance, es mir nach zu tun. Sie akzeptieren mein Nein, meine Grenzen viel eher als mein aufgesetztes, unehrliches oder unechtes Ja. Sie wertschätzen meinen Respekt vor mir selbst ebenso wie den, den ich ihnen entgegenbringe - auch dann, wenn ich „Nein“ sage.
Jesper Juul geht in seinem aktuellen Bestseller „Nein aus Liebe“ auf das Thema ein.
Natürlich brauchen wir Verhandlungen, die uns erlauben, auf gleichwürdiger Ebene die Standpunkte des andern zu hören und ihn so kennenzulernen und Beziehung zu schaffen. Aber es sollte in unseren Beziehungen immer auch Platz für die Neins haben, die uns echt und ehrlich wichtig sind, die unsere Grenzen vertreten und uns einen natürlichen Respekt vor uns und dem anderen erlauben.
Ein Zitat, das mir daraus sehr gut gefällt, möchte ich Euch zum Abschluss anfügen:
„Die Sprache der Liebe ist weder positiv noch negativ, sondern persönlich!“
Jesper Juul, Nein aus Liebe
ISBN: 978-3-466-30776-0 http://www.koesel.de/Kommunikations- Training nach Thomas Gordon:
http://www.gordontraining.ch/
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